von Felix Menzel vom 11. Februar 2021.
Mal ehrlich: Kann das Volk überhaupt noch etwas bewirken? Kann es eigene Themen auf die politische Agenda setzen? Oder ist das von Vornherein eine trügerische Illusion, weil selbst linke Wutbürgerbewegungen und die Klimajugend, die von den Medien unterstützt werden, lediglich zum Ausdruck bringen dürfen, wogegen sie sind?
Das Volk hätte dann im besten Fall eine katechontische Funktion. Es könnte den größten Wahnsinn (Gender-Gaga, Masseneinwanderung, überdimensionierte Bauprojekte, Zerstörung der Natur, …) stoppen. Es könnte die Eliten zum vorübergehenden „Füße still halten“ zwingen und jeder freie Bürger könnte wenigstens das eigene Leben retten. Im Großen und Ganzen ist nach dieser Lesart der Lauf der Dinge trotzdem in Richtung Globalismus vorgezeichnet und droht, unser unausweichliches Schicksal zu werden.
Bevor sich jetzt aber alle aufgrund dieser deprimierenden Aussicht in Selbstmitleid suhlen, bedarf es einer nüchternen Analyse, wie wahrscheinlich es ist, den „Zauber des Eigenen“ (Thor von Waldstein) neu zu entfachen. Dafür spricht, daß die Deutschen es bisher stets schafften, sogar nach den schlimmsten Niederlagen wieder aufzustehen. 1952 konstatierte Konrad Adenauer zutreffend: „Man hat vor den guten Eigenschaften des deutschen Volkes Angst und Sorge.“
Diese „Furcht vor der Tüchtigkeit der Deutschen“ hat eine nachvollziehbare historische Ursache. Preußen ist der gelebte Mythos der Deutschen. Das Besondere daran: Er äußert sich eben nicht nur in ein paar Statuen der Heldenverehrung, sondern wurde vom Volk verinnerlicht und beherzigt. Durch dieses „innere Erlebnis des Wir“ unterscheide sich erst „ein Volk von einer Bevölkerung“, war der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler überzeugt. Zumindest rudimentär sind die preußischen Tugenden noch immer lebendig. Das sollte uns stets Hoffnung geben.
Hinzu kommt etwas, das Wätzold Plaum in kritischer Auseinandersetzung mit Spengler destillierte. Plaum stößt sich an den ideologischen Ressentiments Spenglers. Seiner Meinung nach ist die These vom „Untergang des Abendlandes“ politisch voreingenommen. Eine wertfreie Betrachtung müsse schließlich anerkennen, daß die Geschichte des Abendlandes in die Kategorie der unvollendeten oder atypischen Zyklen gehöre. Plaum zeigt sich deshalb optimistisch und sieht den Aufstieg des Populismus in den letzten Jahren als Vorboten einer möglichen Wende.
Läßt sich die Idee der Nation, die der kollektiven Selbstbehauptung eines Volkes dient, also doch reaktivieren? Hans Freyer, dessen Gedanken nicht nur Thor von Waldstein, sondern bereits Rolf Peter Sieferle aufgegriffen hat, wünschte sich zwar einen „Subjektwandel der Revolution“ von der Arbeiterklasse zum Volk. Zugleich schätzte er allerdings die Halbwertszeit politischer Ideen realistisch ein, indem er betonte: „So revolutionär sie ihrem Beginn nach sei, ihrem endgültigen Sinne nach ist alle Politik konservativ.“
Man könnte folglich das Fazit ziehen: Nationale Souveränität verteidigen – ja, natürlich, um es den globalistischen Eliten nicht zu leicht zu machen! Eine Wiederholung der Blütezeit des Nationalstaates und der nationalen Idee ist dennoch nicht zu erwarten. Daher sind identitätsstärkende Alternativen im Kleinen (Region) und im Großen (hesperialistisches Europa) sehr gründlich zu erwägen.
(Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1003-400 / Grimm, Peer / CC-BY-SA 3.0)
Thor von Waldstein. Der Zauber des Eigenen.
Es gibt ein Unbehagen am Eigenen in Deutschland. Wurde das Volk früher begriffen als eine Seinsform, in die man hineingeboren wurde, so wähnte sich das ichverpanzerte Individuum lange Zeit frei von solchen gemeinschaftsgeprägten Lebensbildern; nationale Identität war – so schien es gerade in den Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung – einer nebulösen Weltbürgerlichkeit gewichen. Unterdessen begreifen mehr und mehr Bürger, daß in den unruhigen Jahren, die vor uns liegen, politische Gestaltungskraft nur von dem ausgehen kann, der sich seiner Wurzeln besinnt. Vor dem Hintergrund dieses Paradigmenwechsels unternimmt der Verfasser den Versuch, die Deutschen zu einer Affäre mit sich selbst zu verführen. Dazu werden die Entwicklungslinien von Volk und Nation in der deutschen Geistesgeschichte der letzten 250 Jahre nachgezeichnet. Dieses weite historisch-philosophische Panorama eröffnet Einblicke in das Verständnis der Gegenwart, die sich – im Gegensatz zu den Scheindebatten einer inszenierten Öffentlichkeit – als bestechend aktuell erweisen könnten.
Rolf Peter Sieferle: Finis Germania
Der Universalgelehrte Rolf Peter Sieferle hat mit dem posthum veröffentlichten Finis Germania seine Nachtgedanken zur Lage Deutschlands hinterlassen. In dreißig inhaltsschweren und tiefgründigen, teilweise fragmentarischen Kurztexten beleuchtet er ohne Rücksicht auf Thementabus und medial verabredete Sprachregelungen Deutschlands jüngere Vergangenheit und Gegenwart und wirft einen abgründigen Blick in die Zukunft.
So beschreibt er als mentalen Kern eines politisch flächendeckend ausgewucherten „Sozialdemokratismus“, daß „Differenzen aller Art für schlechthin unerträglich gelten“ und die proagierte Lösung des Individuums aus seinen Verbindlichkeiten in der Vorfahren-Nachfahren-Kette als dessen Trennung „von seinen Ahnen, von der Geisterwelt, vom Absoluten.“ Der „Mythos VB“ (= Vergangenheitsbewältigung) benannte Teil des Buches führte schließlich zu einem Medienskandal. Der Autor wurde diffamiert, der Inhalt (absichtlich oder aus Dummheit) falsch verstanden und das Buch aus den Bestsellerlisten entfernt. Letztlich hat dieser unerhörte Vorgang jedoch zu dem Riesenerfolg von Finis Germania beigetragen.
Eine von uns lizensierte Ausgabe des Buchs erschien 2017 im Verlag Antaios. Im Landtverlag veröffentlichen wir im März 2019 eine neue Auflage des Titels, vermehrt um ein Nachwort von Thomas Hoof, das den Medienskandal um Buch und Autor bissig nachzeichnet.
Andrew Stüve: Schwarz und Weiß
1947 wurde der Staat Preußen von den vier Besatzungsmächten aufgelöst. „Und gewiß“, schrieb Hans-Joachim Schoeps, „das alte Preußen, wie es einmal war, ist tot, aber nicht der klassische preußische Geist.“ Doch wo sind sie, die einstigen Tugenden des Ordnungsgeistes, Pflichtgefühls und der Opferbereitschaft? Mögen sie auch verschüttet, verzerrt und diskreditiert sein, erinnert der Autor jenseits der Klischees vom „Alten Fritz“ an dieses wertvolle preußische Erbe – in vier Porträts zeichnet er das Bild der berühmten Gestalten Moltke, Fichte, Blücher und Hegel, und arbeitet die typisch preußischen Züge im Handeln und Denken dieser Militärstrategen und Philosophen heraus. Sein Buch wird so zum Plädoyer für eine sittlich-mentale Renaissance: Denn gerade von diesem Erbe, von der Erneuerung der Idee Preußen kann auch eine revitalisierende Kraft für Deutschland ausgehen, in dem Hysterie, Verantwortungslosigkeit und Selbstsucht an der Tagesordnung sind.