Wie mächtig ist Luisa Neubauer?

von Felix Menzel vom 25. Februar 2020.

Wir brauchen eine rebellische Jugend, die Visionen entwirft und gelegentlich das Unmögliche fordert. Ziviler Ungehorsam sollte ihr dabei ausdrücklich erlaubt sein. Diese Ansicht wurde auch immer wieder Konservativen untergeschoben.

Edmund Burke soll gesagt haben: „Wenn einer mit 20 kein revolutionärer Republikaner ist, muss man an der Größe seines Herzens zweifeln; aber wenn er es mit 30 immer noch ist, muss man an der Stärke seines Geistes zweifeln.“ Für die Richtigkeit dieses Zitats gibt es keine Belege. Dennoch hat es einen wahren Kern.

Jede Nation lebt davon, daß junge Generationen mit der nötigen Vehemenz neue Dinge anschieben, die sich im Diskurs mit den älteren Pragmatikern beweisen müssen. Funktioniert die Öffentlichkeit, wird sich dann wohl in den meisten Fällen ein Kompromiß finden, der für „Generationengerechtigkeit“ sorgt.

Bei der Debatte um die Rente wäre dies zum Beispiel nötig: Senioren sind mittlerweile bekanntlich die größte Wählergruppe. Ihre Meinung wird deshalb von allen Parteien in einem besonderen Maße berücksichtigt. Dies geht seit Jahrzehnten zulasten der nachfolgenden Generationen, die aber seltsamerweise ihre berechtigten Interessen kaum artikulieren.

Woran liegt das? Bei anderen Themen wie dem Klima ist es doch sogar möglich, daß junge Studentinnen wie Luisa Neubauer ihre Anliegen direkt Barack Obama und Emmanuel Macron vortragen dürfen? Ist das nicht der Idealzustand der „Generationengerechtigkeit“, wenn Staatschefs das Gespräch mit der Jugend suchen und sich auf diesem Wege inspirieren lassen?

Bernhard Lassahn sieht das in seinem neuen Buch Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft vollkommen anders. Mit meisterhafter Leichtigkeit und grandiosem Sprachwitz beschreibt der Verfasser etlicher Kinderbücher, wie in der jüngeren Vergangenheit zum feministisch motivierten Kampf gegen den Mann ein Feldzug gegen die Älteren hinzugetreten ist. Er meint: „Heute sind es vor allem Frauen- und Kinderstimmen, die mit dem Größenwahn von Weltherrschern auftrumpfen.“ Sie hätten den gesamten öffentlichen Raum „sprachlich gleichgeschaltet, durchgegendert, feminisiert und verweiblicht“.

Das sind schwere Vorwürfe, die nur einen Teil der Wirklichkeit korrekt beschreiben. Ja, es stimmt, wir erleben eine Infantilisierung der Politik. „Kinder werden wie Staatsmänner behandelt, Staatsmänner verhalten sich wie Kindsköpfe“, wie Lassahn treffend schreibt. Allein, um in den Genuß solcher Sätze zu kommen, lohnt sich die Lektüre des Buches.

Doch um den Generationenkonflikt, der sich gerade zu einem Krieg ausweitet, zu verstehen, sind noch einige weiterführende Gedanken vonnöten. Die entscheidende Frage, die sich mir stellt, lautet: Warum kann die Jugend gegen einige tatsächliche oder angebliche Probleme protestieren und wird gehört, während sie bei anderen Themen auf Granit beißt? Konkreter ausgedrückt: Warum kann Fridays for Future die tektonischen Platten der Politik verschieben, während eine patriotische Jugendbewegung, die sich gegen Masseneinwanderung ausspricht, mit rechtswidrigen Razzien rechnen muß?

Dieser Vergleich zeigt, daß der Graben nicht generell zwischen Jung und Alt verläuft. Vielmehr ist die Klimajugend nur deshalb so wirkmächtig, weil den inzwischen alten 68ern der Marsch durch die Institutionen glückte und ihre kulturmarxistische Denkschule heute darüber entscheiden kann, wer positiv dargestellt wird und wer als die Inkarnation des Bösen verunglimpft wird.

Diese „Meinungsklima-Katastrophe“ (Lassahn) ist es, die Menschen gegeneinander aufhetzt. Es stehen sich dabei nicht per se Jung und Alt gegenüber. Der Generationenkrieg ist lediglich eine neue Eskalationsstufe, um die altbekannte eindimensionale, fortschrittsbesoffene Weltsicht der Linken durchzusetzen.

Es gibt dabei nur zwei Probleme: Erstens stehe die Gleichmacherei des Gender Mainstreaming aus biologischen Gründen vor dem „Zusammenbruch“, so Lassahn. Wer die Familie zerstöre, könne auch seine Macht nicht nachhaltig sichern. Zweitens kommt Hochmut vor dem Fall. Lassahn schreibt dazu: „Den Freitags-Demonstranten fehlt ein Sokrates, der ihnen klar macht, dass sie nichts wissen.“

Es wäre die Aufgabe der Erwachsenen, diese Rolle einzunehmen. Bleibt das aus, muß jede Meinung und jede Weltsicht unvollständig bleiben, denn gut kann der Mensch erst zu zweit sein. Das gilt Lassahn zufolge für das liebevolle Zusammenleben von Mann und Frau, aber es gilt auch für die politische Öffentlichkeit. Es braucht Pro und Contra sowie Idealisten und skeptische Bedenkenträger, sonst entstehen ausschließlich weltfremde Ideologien.

(Bild:„Klimaaktivistin“ Luisa Neubauer; Ot, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)


Bernhard Lassahn: Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft.

Bernhard Lassahn gibt mit trotzigem Humor einen Lagebericht, der aufzeigt, was der vierzigjährige Krieg angerichtet hat. Zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen. Die Bilanz könnte kaum bitterer sein.

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