Die Verrohung der Sprache

von Felix Menzel vom 10. Februar 2020.

1998 urteilte das Bundesverfassungsgericht, „zwischen einer (straflosen) Polemik, wie verfehlt sie auch immer erscheinen mag, und einer (strafbaren) Beschimpfung oder böswilligen Verächtlichmachung“ müsse „besonders sorgfältig“ unterschieden werden.

Hintergrund war damals ein Flugblatt von 1991, auf dem der bereits verstorbene Franz Josef Strauß als zweiter Hitler und die Bundesrepublik als „faschistisch“ verunglimpft wurden. Das Bundesverfassungsgericht entschied hier zugunsten der Meinungsfreiheit, da diese ein besonderes „Schutzbedürfnis der Machtkritik“ beinhalte. Es bestätigte damit ein Urteil vom 17. Juli 1984, das es erlaubte, Strauß eine Politik „mit den Vorteilen des Hitlerfaschismus“ zu unterstellen.

Helmut Kohl, CDU-Bundeskanzler von 1982 bis 1998, musste sich ebenfalls gröbste Geschmacklosigkeiten gefallen lassen. Als der Regisseur Christoph Schlingensief 1997 mit „Tötet Helmut Kohl“ öffentlich einen inszenierten Mordanschlag auf den „Kanzler der Einheit“ zelebrierte, blieb dies juristisch folgenlos.

Ähnlich ergeht es aktuell vielen AfD-Politikern, die sich gegen Nazi- und Faschismusvergleiche zur Wehr setzen wollen. Sie sind chancenlos gegen eine Justiz, die ein seltsames Verständnis von Meinungsfreiheit an den Tag legt. Denn wenn sich z.B. Renate Künast von den Grünen bei Gericht über „Hass und Hetze“ beschwert, gelten auf einmal andere Maßstäbe.

Was folgt nun daraus? Fest steht, daß wir uns auf dem „Schlachtfeld der Tugendwächter“ (Jörg Schönbohm) positionieren müssen. Wir haben dabei die Wahl zwischen der Verteidigung einer grenzenlosen Meinungsfreiheit, zu der es gehört, auch verbale Entgleisungen zu ertragen, und dem Standpunkt eines aufgeklärten Konservatismus, der einen gesellschaftlichen Grundkonsens in Fragen des Anstandes anmahnt.

Aufgrund der Zumutungen der politischen Korrektheit in den letzten Jahren dürften viele intellektuelle Selbstversorger mit der ersten Option liebäugeln. Doch gemach, gemach! Nach dem klugen Schachzug von Björn Höcke in Thüringen zeigt sich einmal mehr, welches Ausmaß die bundesdeutsche Massenhysterie annehmen kann. Sie hat dafür gesorgt, daß bundesweit FDP-Sympathisanten angegriffen und beleidigt wurden.

Mitverantwortlich für diese Straftaten sind jene „Haltungsjournalisten“, die geschichtsvergessen das Schreckensbild einer erneuten nationalsozialistischen Machtergreifung an die Wand malten. Den Vogel schoß dabei ZDF-Chefredakteur Peter Frey ab, der von der FDP eine direkte Linie zur „Endstation Buchenwald“ zog. Das ging dann sogar dem linken Historiker Heinrich August Winkler zu weit, der in der letzten Welt am Sonntag auf die „eklatanten“ Unterschiede zwischen Weimarer Republik und der Gegenwart hinwies.

Die Massendemokratie bzw. Skandalokratie verleitet Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens dazu, alles dafür zu tun, um mittels geheuchelter Empörung von kurzfristigen Stimmungen zu profitieren. Das ist jedoch gefährlich, da man damit sehr schnell in Konflikt zum geltenden Recht gerät. Merkels unüberlegter Ausspruch, die Wahl in Thüringen solle bitteschön „rückgängig“ gemacht werden, ist dafür das beste Beispiel. Vielleicht erntet sie dafür schnellen Beifall von erfolgreich manipulierten Bundesbürgern. Langfristig allerdings wird diese Äußerung das Vertrauen in ihre Partei weiter erschüttern. Denn sobald die Reflexion über diesen Satz einsetzt, wächst das Unbehagen.

Es spricht deshalb viel dafür, auf einen staatsmännischen Konservatismus zu setzen und den Populismus zurückzufahren. Erst wenn klar wird, daß die aggressive Hetze des alten Establishments die größte Gefahr für Demokratie und Freiheit darstellt, besteht die Chance, die Herzen derjenigen zu erobern, die jetzt noch an unseren Fähigkeiten zweifeln.

(Bild: strassenstriche.net, flickr, CC BY-NC 2.0)

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