Scruton über die perfiden Strategien der Linken

von Felix Menzel vom 23. November 2021.
Roger Scruton

Um die historische Dimension bedeutender Politiker und Intellektueller begreifen zu können, muß man mit ihren Leistungen und Erfolgen beginnen, ehe man die Schattenseiten ihres Wirkens beleuchtet. Das gilt selbst oder gerade für die größten Verbrecher. Sebastian Haffner hat das in seinen „Anmerkungen zu Hitler“ (1978) vorbildlich gezeigt.

Ähnlich geht Roger Scruton vor. Seine Portraits linker Denker in seinem Buch Narren, Schwindler, Unruhestifter bestechen durch Objektivität. Erst dadurch wird ersichtlich: Die Erfolge der Linken korrelieren mit den angerichteten Schäden. Zudem arbeitet er exzellent die Eigenheiten der Linken in einzelnen Nationen heraus.

Während sich die amerikanische Linke vielfach auf Konsumkritik konzentrierte, die auch bei konservativen Wachstumskritikern Anklang findet, fielen die Franzosen, z.B. Foucault, durch Extravaganzen, „heroisches Posieren“ und feurige Attacken auf. Sie sind eben in der blutigen Tradition von 1789 Revolutionäre durch und durch. Derweil steche bei den deutschen Neuen Linken, allen voran Jürgen Habermas, die bürokratische Staubigkeit ins Auge. Gerade dieses vermeintliche Manko ist aber eine Stärke: Sie vermittelt eine staatsmännische Attitüde und sorgt dafür, daß der niedergeschriebene Nonsense unverstanden bleibt.

Wir sind damit bereits mittendrin im erfolgreichsten, linken Politikbereich: dem mühsam errichteten Sprachregime. Unser Autor Michael Esders hatte dazu ausgeführt, der Neuen Linken der Nachkriegsära sei es gelungen, sich von halbgaren Wirtschaftstheorien und Solidaritätsbekundungen in Richtung der kleiner werdenden Arbeiterklasse zu verabschieden. Stattdessen habe man sich voll und ganz dem Kampf um die Begriffe gewidmet und dadurch die kulturelle Hegemonie erobert.

Scruton geht es dieser Stelle weiter: Er meint, die Sprachpolitik sei bereits seit 1789 das bevorzugte Feld der Linken. Der größte Triumph war es dabei, die Polemik gegen den „Kapitalismus“ unter dem Mäntelchen der Ökonomik in kleinen, aber umso wirksameren Dosen zu verabreichen. Die Strategien des Vereinfachens und des Verkomplizierens gehen hierbei Hand in Hand. Zum einen setzte die Linke schon immer mit der „Bourgeoisie“ auf eine klare Feindbenennung, die eine Abwertung des verantwortungsbewußten Bürgertums zur Folge hatte. Zum anderen kreierte sie eine „festungsartige Sprache“ mit nebulösen Geheimcodes, zu der sich nur eingeweihte Intellektuelle Zugang verschaffen können.

Wie geschickt es ist, so zu agieren, illustriert die Verwendung des Begriffs der „Klasse“, der es erlaubt, dramatische Klassenkämpfe zu konstruieren. Mit „Klasse“ reduziere die Linke Menschen auf ihre materiellen Interessen. Für Konservative dagegen gebe es keine Klassen, weil Menschen nicht eindimensional sind, sondern sich ihre Vorstellungen immer aus nationalen, religiösen, ökonomischen, kulturellen, rechtlichen und familiären Gegebenheiten zusammensetzen, argumentiert Scruton.

Die Abstraktion, die mit der „Klasse“ und der romantisierenden Darstellung der Unterschicht zum Ausdruck kommt, dient also in erster Linie der Vereinfachung, um eine politische Freund-Feind-Konstellation (vgl. Carl Schmitt) zu beschwören. Um berechtigte, lästige Nachfragen zur konkreten Gestalt der „Klasse“ zu vermeiden, greift indes die Verkomplizierungsstrategie. Die Linke lasse sich nicht auf Debatten über konkrete Menschen ein, sondern flüchte sich ins Abstrakte, weil ein tief zerklüftetes Wissenschaftsgebirge besten Schutz gegen stichhaltige Argumente der Gegenseite biete.

Konservative stehen somit vor dem Dilemma, entweder in einer Endlosschleife die Feingliedrigkeit der realen Welt erklären zu müssen oder auf einen eigenen Populismus zu setzen. Wohin der Feingeist Scruton tendiert, sollte klar sein. Die Gefahr des Populismus besteht immer darin, in die Beliebigkeit abzudriften, weil nur noch effektvolle Rhetorik zählt. Diese Beliebigkeit bringt dann allerdings die beliebige Neukonstruktion des Altbewährten als unausweichlichen Kollateralschaden mit sich. So reißt der Faden der Tradition ab.

Besonders deutlich werde das beim Nachdenken über Recht und Gesetz. Das Recht existiere „schon vor der gesetzgebenden Macht des Parlaments“, insistiert Scruton gegen die linke Neigung, mit willkürlichen Gesetzen gewachsene Gepflogenheiten, Gewohnheiten und Institutionen außer Kraft zu setzen. Dieser Frontalangriff läßt sich nicht durch andere willkürliche Gesetze abwehren. Vielmehr sind wir auf das, was sich hinter dem „gesunden Menschenverstand“ verbirgt, angewiesen.

Hinzu kommt: Populistische Strömungen beschreiben gern eine heile Welt ohne Konflikte als ihr Ziel. Die bestehenden Konflikte zu lösen, glauben sie, sei durch Ausschaltung der Opposition möglich. Darauf sei zu erwidern, daß „Konflikte in der menschlichen Natur liegen, und deshalb ist die Hoffnung auf ihre Beseitigung inhuman und führt zu inhumanen Handlungen“, so Scruton. Die „Frage der Opposition“ sei daher „die alles entscheidende Frage in der Politik“.

Wohlgemerkt: Es ist hiermit eine Opposition gemeint, die ohne revolutionäre Phantasien auskommen muß und im Meinungskampf (lediglich) die „friedliche Koexistenz unter Rivalen“ anstrebt. Einfacher formuliert: Der Konservative erlaubt ganz bewußt auch linke Biotope, weil er die vielen kleinen Gemeinschaften der Gesellschaft bewahren will. Was aber, wenn in einem solchen Biotop verschworene Kampfgemeinschaften entstehen, die den Grundsatz der gegenseitigen Toleranz ablehnen und nicht nach den alten Konversationsregeln der bürgerlichen Gesellschaft handeln wollen?

Roger Scruton: Bekenntnisse eines Häretikers

Während der Zeitgeist einmal mehr nach Utopia entwischt, betrachtet Roger Scruton die sitzengelassene Gegenwart: in zwölf Essays denkt er nach übers Regieren, Bauen und Tanzen, über das Sprechen vom Unsagbaren, über Trauern und Sterben, darüber, wie so getan wird, als ob, wie Leute sich hinterm Bildschirm verstecken, wie Tiere geliebt und Etiketten geklebt werden, über das Bewahren der Natur und die Verteidigung des Westens.

Ein Gedanke zu “Scruton über die perfiden Strategien der Linken

  1. Scruton war doch selbst Linker, bedenkt man, wie liederlich er lebte. Gómez Dávila war ca. sechzig Jahre verheiratet und tiefgläubiger Katholik. Ist wohl weniger publikumswirksam, da ihn die Meinung anderer nicht kümmerte, er kein Blatt vor den Mund nahm.

    Wie Gómez Dávila schrieb: „Das Problem ist nicht die sexuelle Unterdrückung, noch die sexuelle Befreiung, sondern der Sexus.“

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