Raus aufs Land!

von Felix Menzel vom 24. Februar 2021.

Durch Deutschland wabert aktuell eine seltsame Eigenheimdebatte. Ausgerechnet kurz vor der Landtagswahl im Häuslebauer-Land Baden-Württemberg wird den Grünen vorgeworfen, sie fänden es überlegenswert, den Neubau von Einfamilienhäusern am besten gleich ganz zu verbieten.

Die Grünen relativierten die Vorwürfe zwar und erzählten irgendetwas über ressourcenschonendes und klimafreundliches Bauen. Trotzdem konnten sie nicht verhindern, das Etikett der Verbotspartei erneut angeheftet zu bekommen.

Wie Pawlowsche Hunde reagierte derweil die politische Konkurrenz. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sah den „Traum der hart arbeitenden Mittelschicht“ bedroht. Die einheimischen Bürger müssten jetzt „noch enger zusammenrücken“, befürchtete sie.

Was Weidel jedoch im Eifer des Gefechts übersah: Ihre Aussage stimmt nicht mit den harten Fakten überein. Seit 1992 dehnte sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von 40.305 auf 49.505 Quadratkilometer aus. Jeder Bundesbürger verbraucht heute im Durchschnitt ein Fünftel mehr an Fläche als vor 30 Jahren.

Es ist daher legitim und gerade aus konservativer Sicht notwendig, über unseren Flächenverbrauch nachzudenken. Konrad Lorenz nannte bereits 1973 in seinen Todsünden der zivilisierten Menschheit die „Verwüstung des Lebensraums“ an prominenter Stelle. Dieser Tradition folgt auch Michael Beleites in seinem Buch Lebenswende. Er gibt als Ziel das „harmonische Eingegliedertsein in die natürlichen Umweltverhältnisse“ vor und kritisiert in diesem Zusammenhang den grünen „Öko-Aktivismus“, weil er keine Ehrfurcht mehr vor der „Erhabenheit der Landschaft“ (Michael Succow) habe.

Damit sind wir schon einmal einen entscheidenden Schritt weiter: Zur Verringerung des Flächenverbrauchs reicht es natürlich nicht aus, den Menschen einfach nur das Bauen auf der grünen Wiese im Speckgürtel einer Stadt zu verbieten. Beachtung hat ebenso der Flächenverbrauch der aktuellen Energiepolitik verdient und bei diesem Kriterium schneiden Wind- und Solarkraft bekanntlich überhaupt nicht gut ab.

Würden konservative Politiker wie Alice Weidel solche Argumente berücksichtigen, könnten sie ein Gegen-Narrativ zur Klimareligion und eine überzeugende Umweltpolitik entwickeln. Zugleich hätten sie dann eine attraktive Position zum Wohnungsbau im Angebot. Der zentrale Denkfehler der Grünen ist schließlich die rein mathematische Betrachtung des Flächenverbrauchs. Er führt dazu, das beengte Leben in der Großstadt zu glorifizieren und Mietpreisbremsen sowie Mietendeckel zu favorisieren.

Hier hat Weidel recht, wenn sie von sozialistischen Tendenzen spricht. Doch perverserweise gehen heute sozialistische Politik und Globalkapitalismus Hand in Hand. Alan Posener hat vor einigen Tagen in der ZEIT die Profiteure eines staatlichen Eigenheim-Bauverbots klar benannt. Es sind die grünen, besserverdienenden Immobilienbesitzer, die bereits seit längerem an der durch die EZB-Geldschwemme ausgelösten Sachwertinflation mitverdienen und bei einer Baulandverknappung noch einmal mit einem Vermögenszuwachs belohnt werden würden.

Auf der Strecke blieben hingegen, so Posener, die „Aufsteigerfamilien“, die aus der Stadt wegwollen, um in einer Gegend mit „Spielplätzen ohne Spritzbesteck“ und „Parks ohne Drogendealer“ zu wohnen. Das ist richtig. Allerdings reduziert Posener damit die Sehnsüchte der Menschen auf ein Sicherheitsbedürfnis. Das dürfte – sozialpsychologisch betrachtet – zu kurz gesprungen sein.

Jeder Mensch braucht eine raumbezogene Identität, insistiert deshalb Stefan Kofner, Professor für Immobilien- und Bauwirtschaft in Zittau. Heimatgefühle haben es in Großstädten jedoch schwer. Sie sind viel eher an prägende Landschaften gebunden. Somit wäre es fatal, den ländlichen Raum aufzugeben und die schon heute marode Infrastruktur dort weiter zu vernachlässigen.

Statt dessen muss es heißen: Raus aufs Land! Rein in die Dörfer! Aber bitte vorher den Umgang mit unseren Häusern erlernen!

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De la Riestra, Architekturhistoriker, Zeichner und Fotograf, hat ein Buch von besonderem Charme und mit einem wichtigen Anliegen geschaffen: Unser Geschick und unseren Geschmack als Bauherr zu steigern, speziell beim renovierenden Umgang mit den auf uns überkommenen Gebäuden und ihrem Schutz vor der selbstdarstellerischen Eitelkeit heutiger Architekten. Die kolorierten Federzeichnungen sind ein ästhetischer Hochgenuß: 20 bis 40 Schichten derselben Farbe werden mit dem Farbstift übereinandergelegt, um eine feine satte Fläche zu erreichen. Präzise Texte von ruhigem, dennoch entschiedenem Duktus begleiten die Bilder; Fotos dokumentieren Gelungenes und Sünden in der Wirklichkeit.

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