Afghanistan und der westliche Feminismus

von Felix Menzel vom 30. August 2021.

Die WELT adelte Martin van Creveld unlängst zum „klügsten Militärtheoretiker der Welt“ und bot ihm Raum, sich ausführlich zu Afghanistan zu äußern. In dem Selbstgespräch wiederholt er zum einen altbekannte Thesen. Afghanistan als „Wildes Land“ mit seinen „zahlreichen Stämmen, Gruppen und Clans“ sei für eine Zentralregierung unbeherrschbar. Aus diesem Grund hätte sich der Westen mit einem kurzen Feldzug über „etwa neunzig Tage“ begnügen sollen: die Brutstätten des Terrorismus vernichten, Sieg verkünden, fertig!

Zum anderen geht Martin van Creveld auf die Rolle der Frauen ein. Er betont: „Auf einer tieferen Ebene waren es die Taliban und nicht die Amerikaner, die die wichtigste Eigenschaft von allen besaßen: nämlich den Willen, für ihr Land, ihre Religion und ihre Traditionen zu kämpfen – insbesondere den Teil dieser Traditionen, der alles regelt, was mit Frauen zu tun hat.“

So gesehen, sei es der schwerwiegendste Fehler gewesen, Afghanistan „den westlichen Feminismus aufzuzwingen“. Dagegen hätten nicht nur die Männer erbitterten Widerstand geleistet. Vermutlich zur Überraschung derjenigen Islamkritiker in Deutschland, die gern mit der Emanzipation argumentieren, wehrten sich auch viele afghanische Frauen „mit Händen und Füßen“ gegen das neue Geschlechterregime.

Der Westen hat damit nicht nur eine militärische und geopolitische Niederlage erlitten. Viel bemerkenswerter ist das ideologische Scheitern des globalistischen Egalitarismus. In seinem Buch Gleichheit. Das falsche Versprechen versuchte van Creveld zu verdeutlichen, warum „Ungleichheit“ und eben nicht „Gleichheit“ der „Grundbaustein der Natur“ ist.

Wer das berücksichtigt, achtet die Andersartigkeit ferner Kulturen, auch wenn man sie in Teilen als barbarisch empfinden mag. Auf die Idee, einen oder gleich mehrere „Regime Changes“ durchzuführen, weil man von der Überlegenheit der eigenen Werte felsenfest überzeugt ist und sie weltweit exportieren möchte, kommen nur Gleichheitsfanatiker.

Sie haben jedoch einen entscheidenden Nachteil: Ihre „postheroische Disposition“ (Rolf Peter Sieferle: Krieg und Zivilisation) verbietet es ihnen, ihr eigenes Leben zu riskieren. Funktionierende Hierarchien leben hingegen davon, daß die Personen auf den oberen Treppen bereit sind, besonders viel Verantwortung zu übernehmen, einen höheren Einsatz zu zeigen und Risiken bis hin zum Tod einzugehen, die „Normalsterbliche“ lieber meiden möchten.

Die damit verbundenen Gefahren sind der Preis herausgehobener Stellungen. Die wenigen, die in den Genuß der Vorteile der Ungleichheit kommen, sollten nicht nur mehr Rechte haben, sondern selbstverständlich auch mehr Pflichten. Im Krieg bedeutet das, sich notfalls für das eigene Land zu opfern.

Sieferle zufolge signalisierten die USA im Kampf gegen den islamistischen Terror allerdings von Anfang an, daß „ihre Priorität in der Vermeidung von eigenen Verlusten liegt“. Die afghanischen Taliban, fährt er fort, hätten sich darauf sehr schnell eingestellt: „Offener Widerstand ist zwecklos, man zieht sich rasch zurück und setzt den Krieg im Verborgenen fort, so daß das eigentliche Ziel der Intervention, die Herstellung stabiler politischer Verhältnisse im Sinne des Westens, scheitert.“ Genau so ist es gekommen und war lange absehbar.

Über das dahinterstehende ideologische Scheitern der „westlichen Werte“ sollte Deutschland diskutieren, statt die nächste Völkerwanderung zu organisieren. Da diese Diskussion das geistige Fundament der Bundesrepublik zum Beben bringen würde, wird indes alles dafür getan, sie zu unterbinden.

(Bild: Abu’l Hasan Ghaffari: Steinigung)

Martin van Creveld: Gleichheit. Das falsche Versprechen

Die längste Zeit lebten Menschen auf dieser Erde, denen jeder Begriff von Gleichheit fehlte. Bis zum heutigen Tag gibt es viele Gesellschaften und Völker, die allein vom Prinzip der Ungleichheit regiert werden. Dass die Idee der Gleichheit in die Welt trat, war daher keine Selbstverständlichkeit. Noch weniger dürfen wir für selbstverständlich ansehen, dass Menschen ihr Zusammenleben nach der Gleichheitsmaxime zu ordnen bemüht sind. Auch wenn heute das Gleichheitsdenken in den multikulturellen Demokratien des Westens für die gesellschaftlichen Diskurse beherrschend geworden ist. Zwar liegt mit den griechischen Stadtstaaten der erste große Gleichheitsversuch der Menschheit mehr als zweitausend Jahre zurück. Eine Kulturgeschichte der Gleichheit ist aber bislang nicht geschrieben worden.

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