Woran denken wir, wenn wir an Frauen denken?

von Bernhard Lassahn vom 5. März 2020.

Woran denken wir, wenn wir an Frauen denken?

Was denken wir speziell am 8. März – dem Weltfrauentag? Seit wann gibt es den überhaupt? Seit 1975. Die Zeit lässt sich genau bestimmen, der Ort nicht. Er heißt zwar „Weltfrauentag“, er wurde aber nicht überall auf der Welt gefeiert. Seit 2019 ist er ein Feiertag im Bundesland Berlin. Wie kommt’s?

Der 8. März wurde 1975 von den Vereinten Nationen zum offiziellen „Weltfrauentag“ erklärt und seither in verschiedenen sozialistischen Ländern auf unterschiedliche Art begangen. Mehr als vierzig Jahre später konnte sich das Bundesland Berlin anschließen, weil es einen arbeitsfreien Feiertag weniger im Kalender hatte als andere Bundesländer und so wurde 2019 erstmals auch in Berlin der „Internationale Frauentag“ proklamiert, selbst wenn es im Vergleich zu 1975 nicht mehr so viele Länder gab, die bei der Gelegenheit mitfeiern wollten. Nordkorea und Angola waren aber schon noch mit dabei.

Wofür steht der 8. März? Wofür sind die Frauen? Wogegen? Warum ausgerechnet dieser Termin? Angefangen hatte alles am 19. März 1911. Damals hatte es den ersten Frauentag gegeben, der insofern international war, als er in vier Ländern – in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und in der Schweiz – begangen wurde. International war er schon, wenn auch in bescheidenem Maße. Die Welt war es nicht.

Gegen Demokratie

Im Jahr zuvor war er auf Initiative von Clara Zetkin auf der 2. internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen beschlossen worden. Sie träumte von einer deutschen Räterepublik nach sowjetischem Vorbild, in der sie eine führende Rolle spielen wollte und versuchte, Frauen um sich herum zu versammeln, die ihren Traum teilten. Es war ein Kampftag für eine sehr spezielle Auswahl von Frauen, die so wie sie die Demokratie abschaffen wollten. 1933 starb Zetkin in der Nähe von Moskau. Michael Kaste berichtet: „Ein mindestens ebenso prominenter Demokratieverächter trug ihre Urne zur Beerdigung: Josef Wissarionowitsch Stalin.“

Angeregt war der erste Frauentag vom Aktionstag für das Frauenwahlrecht in den USA, der 1910 begangen wurde. Das Thema der Aufmärsche war das Wahlrecht für Frauen ­– genau gesagt: das Wahlrecht für weiße, privilegierte Frauen zu einer Zeit, als es ein freies, geheimes und allgemeines Wahlrecht nicht gab. Auch nicht für Männer.

Gegen dies und das

Der Termin änderte sich immer wieder. Einmal fiel er auf den 5. Mai, dem Geburtstag von Karl Marx, auch wenn der auch nicht gerade jemand ist, dessen Namen man mit freien, demokratischen Wahlen verbindet. Es ging auch nicht mehr um Wahlen, die Themen änderten sich von Jahr zu Jahr. Mal ging es gegen die Gewährung von Kriegskrediten, mal forderten die Frauen regelmäßige Schulspeisung, mal legaler Abtreibung. Ab 1921 sollte der Frauentag an einen Textilarbeiterstreik in Petersburg erinnern, der als einer der Auslöser der Februarrevolution von 1917 gilt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der internationale Frauentag in der SBZ (der sowjetischen Besatzungszone) zu einer Kampagne umgemünzt, mit der die Planwirtschaft vorangetrieben werden sollte; die dekorative Traktoristin mit Kopftuch und Blumenstrauß wurde zur Galionsfigur der Misswirtschaft.

In den 50er Jahren kam das Gerücht auf, dass der März-Termin nicht etwa an die Arbeiter in Russland erinnern sollte, sondern an die Niederschlagung eines Streiks von Textilarbeitern in New York – ein anderer Ort also, dieselbe Branche. Neuerdings soll es um die Fortschritte bei der Gleichstellung gehen, für eine Frauenquote in Dax-Vorständen, um ein härteres Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt und um bessere Gagen für die Stars in Hollywood.

Es ergibt kein einheitliches Bild. Man weiß nicht so recht, worum es geht. Michel Houellebecq weiß es auch nicht: „Die Frauen bilden keinen einheitlichen Block“, schreibt er. „Sie wollen nicht alle dasselbe. Der Feminismus hat kein überzeugendes Narrativ, keinen geschlossenen Diskurs hervorgebracht.“

Gegen Machos und Antifeministen

Auch Alice Schwarzer kann mit dieser „sozialistische Erfindung“ nichts anfangen. Die Frauenbewegung, mit der sie sich verbunden fühlt, sei vielmehr, wie sie erklärt, Anfang der 1970er-Jahre aus „Protest gegen die machohafte Linke“ entstanden. Es sei eine Linke gewesen, „die zwar noch die letzten bolivianischen Bauern befreien wollte, die eigenen Frauen und Freundinnen aber weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und Kinder versorgen ließ“. Deshalb ist in ihren Augen die „Übernahme des sozialistischen Muttertags“ der „reinste Hohn“. Das sei noch, wie sie betont, „gelinde gesagt“. Jedenfalls sollte der „gönnerhafte 8. März“ ihrer Meinung nach am besten „einfach abgeschafft“ werden.

Auch Margarete Stokowski sieht anlässlich des Frauentages im Jahre 2016, als er noch kein offizieller Gedenktag war, gewisse Unstimmigkeiten in den eigenen Reihen und vermutet, dass sich Männer – insbesondere welche, die dem Feminismus kritisch gegenüberstehen – ebenfalls dafür interessieren: „Das Geilste, was Antifeministen sich in ihren feuchtesten Träumen ausdenken können, sind Frauen, die sich gegenseitig bekämpfen und beschimpfen … Am besten: zum Frauentag. Woohooo“, schreibt sie.

Dazu möchte ich anmerken, dass „träumen“ und sich „etwas ausdenken“ unterschiedliche Vorgänge sind. Außerdem frage ich mich, ob sie dem Mann, dem sie die „feuchtesten“ Träume andichtet, womöglich mit einem Bettnässer verwechselt. Wie auch immer: Wir wissen nun, dass sie Frauen untereinander nicht einig sind, wissen jedoch immer noch nicht, worum es ihnen eigentlich geht.

Gegen Schwarze

Wir ahnen es aber. Sehen wir uns die Kräfte an, von denen die Frauen bewegt wurden. Was trieb sie um? Da erkennen wir einerseits die kommunistischen Ideale und Träume in Russland und andererseits eine außer Kontrolle geratene Terror-Mentalität und die Freude an der Zerstörung, wie wir sie bei den Suffragetten in England finden. Doch die stärkste Triebkraft war vermutlich die Angst der Frauen in Amerika.

Was war da los? Während des Bürgerkrieges hatte sich erstmals der berüchtigte Ku-Klux-Klan gebildet, eine Terrorgruppe, die Schwarze lynchte und mit dem Ende des Civil Wars wieder aufgelöst wurde. Der Monumentalfilm Birth of a Nation von David Wark Griffith aus dem Jahre 1915 brachte genau das auf die Leinwand, was der Titel versprach: „Die Geburt einer Nation“. Er machte die Identitätsfindung der Nation zum Thema, die Herausbildung eines Selbstbewusstseins des wiedervereinten Amerikas, das versuchte, die Kriegserlebnisse aufzuarbeiten und das Zusammenleben mit den befreiten Sklaven neu auszuhandeln.

Die ungeheuer aufwändigen Filmszenen, die das Treiben von schwarzen Milizen und deren Grausamkeiten zeigen, sind von großem künstlerischem Wert und hochumstritten wegen der schockierenden Gewaltszenen und Vergewaltigungen. Der Film gilt als das vielleicht bedeutendste und einflussreichste Werk der amerikanischen Filmgeschichte und wird nach heutigen Maßstäben als „rassistisch“ eingestuft (daher wurde 2016 eine neue VersionThe Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit – gedreht, die nicht rassistisch sein will). Dem Original-Film wird vorgeworfen, dass er eine unangebrachte Überlegenheit des weißen Mannes behauptet und wesentlich dazu beigetragen hat, dass es zu einer Neugründung des Ku-Klux-Klans gekommen ist. Wenig bekannt ist, dass sich gleichzeitig eine starke Frauenorganisation gebildet hat, der WKKK, Women of the Ku-Klux-Klan, oder Women’s Ku-Klux-Klan.

Dazu gesellten sich Geheimorganisationen mit so schönen Namen wie Ladies of the Invisible Eye und Unterstützergruppen, die sich auf Öffentlichkeitsarbeit konzentrierten, Artikel verfassten, Spendenaktionen und Aufmärsche organisierten. Es gab unübersichtlich viele, zum Teil sehr mitgliederstarke Organisationen: die Dixie Protestant Women’s League, die Grand League of Protestant Women, die Kentucky Equal Rights Association, die geheimnisvollen Ladies of the Invisible Empire, die White American Protestants, die exquisiten Queens of the Golden Mask and Hooded Ladies of the Mystic Den und die berühmte Woman’s Christian Temperance Union, die als die größte Frauenorganisation des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelten kann. So also sah die Frauenbewegung in Amerika aus: Es waren weiße Frauen aus der besseren Gesellschaft, die sich von den „Negern“, wie man sie damals nannte, bedroht fühlten und im Ku-Klux-Klan ihre Schutzstaffel sahen, für die sie die bekannten spitzen Mützen nähten und Geld sammelten. Die Männer machten die Dreckarbeit, die Frauen die Propaganda.

Gegen Ausländer und gegen Alkohol

Sie verknüpften ihre Forderung nach Frauenrechten mit dem Kampf gegen Schwarze, Juden und Katholiken sowie gegen weitere Zuwanderer, speziell aus Polen oder Irland, denen sie nicht nur Lüsternheit, sondern auch Alkoholmissbrauch unterstellten. Gegen Alkohol waren sie obendrein. Die zwei Meter große Carrie Nation von der Temperance Union war mit dem Absingen von frommen Liedern nicht länger zufrieden und griff zur Axt. In einer Vision hatte ihr Gott persönlich die „Lizenz zum Hacken“ erteilt, daraufhin stürmte sie in einen Saloon und schlug ihn kurz und klein. Nicht nur einen. Insgesamt zertrümmerte sie über hundert Saloons, sie randalierte sogar im Senat und wurde dreißig Mal verhaftet. Zwischendurch ging sie auf Tournee und wurde auf ihren Vortragsreisen wie ein Popstar gefeiert.

Hauptsächlich ging es den Frauen darum, „das Neger-Wahlrecht zu verhindern“ und „die weiße Vorherrschaft durch das Wahlrecht der Frauen zu stärken“. So sah es Carrie Chapman Catt, Präsidentin der National American Suffrage Association und Gründerin der League of Women Voters. „Ich würde mir meinen rechten Arm abschneiden“, verkündete sie, „bevor ich jemals dafür arbeiten oder fordern würde, dass der Neger und nicht die Frau das Wahlrecht bekäme“. Dieses Zitat ragt besonders hervor, weil die Vorstellung, einen Arm zu opfern, gerne genutzt wird, um die Opferbereitschaft von Eltern zu beschreiben, die zugunsten ihres Kindes auf einen Arm verzichten würden. Hier spricht jedoch keine hingebungsvolle Mutter, sondern eine KKK-Unterstützerin, die auf einen Arm verzichten würde, um ihren Rassismus auszuleben.

Gegen Kunst und Kultur

Der Beitrag der Suffragetten zur Geschichte des Frauentages bestand hauptsächlich aus Selbstdarstellungen und Terror, oder wie es bei wechselnden Beiträgen auf Wikipedia heißt, wo es „gelinde gesagt“ und etwas schmeichelhafter formuliert wird: in der Entwicklung von „neuen Formen des Protests“ und im „passivem Widerstand“, ohne dass die Kämpferinnen aus der upper class wussten, was sie eigentlich wollten.

Zunächst protestierten sie gegen verordnete Untersuchungen zum Gesundheitszustand von Prostituierten und machten auf sich aufmerksam, indem sie demonstrativ in der Öffentlichkeit rauchten: Blauer Dunst und blaue Strümpfe waren ihre besonderen Kennzeichen, mit denen sie sich in Szene setzten. Dann erst entdeckten sie den Kampf für das Wahlrecht und radikalisierten sich (siehe dazu auch das Schwarzbuch Feminismus).

Sie prügelten sich mit Regenschirmen, setzten die Feuerwehr durch Fehlalarm außer Gefecht, kappten Telefonverbindungen und verübten Brand- und Bombenanschläge: Allein im Jahr 1913 wurden acht Kirchen gänzlich und neun teilweise niedergebrannt, außerdem 23 Schulen, Bahnhöfe und andere Gebäude. Mary Richardson ging mit einem Schlachterbeil auf das Gemälde Venus vor dem Spiegel von Diego Velázquez los und rechtfertigte ihre Tat damit, dass sie es nicht leiden könne, wie Männer das Bild anstarrten: „I didn’t like the way men visitors gaped at it all day long“.

Es war nur eins von zehn Attentaten auf Kunstwerke mit einem geschätzten Schaden von acht Millionen Mark. Emily Davidson warf sich in einer spektakulären Aktion bei einem Derby vor das Rennpferd des Königs und starb als Märtyrerin, nachdem vorangegangene Selbstmordversuche erfolglos geblieben waren.

Gegen ein friedliches Miteinander

Wir können uns getrost die Frage stellen, ob das Wahlrecht für Frauen, wie wir es heute kennen, wegen der spektakulären Grenzüberschreitungen der Suffragetten eingeführt wurde oder trotz der Mätzchen dieser Radau-Schwestern, die, wie Angela Merkel vielleicht sagen würde, „nicht hilfreich“ waren? Herbert Purdy, der sich ausführlich mit den Zeitumständen befasst hat, gibt in seinem Buch Their Angry Creed. The shocking history of feminism, and how it is destroying our way of life die Antwort: trotz! Sie haben der Sache eher geschadet als genutzt.

Ein beliebtes Sprichwort besagt, dass man die Eier zerschlagen müsse, wenn man ein Omelett haben will. Es gibt jedoch Leute, die Eier zerschlagen wollen, ohne dass sie Appetit auf ein Omelett hätten. Die Suffragetten waren nicht nur gewaltbereit, sie waren auch rassistisch. In der von Emmeline Pankhurst gegründeten Frauenpartei Women’s Party musste zum Wohle Frauen die „Rassenreinheit“, die von ihr ausdrücklich gefordert wurde, strikt eingehalten werden. Das PM-Magazin erkennt in ihrem Parteiprogramm eine „Mischung aus Feminismus und Faschismus“ – was nicht schwer zu erkennen ist.

Wir sprechen gerne von einem „Narrativ“ oder einer „großen Erzählung“, wenn wir eine politische Strömung meinen, eine Weltanschauung oder auch nur ein Vorurteil. Wenn wir die Geschichte des Weltfrauentages ebenfalls als Erzählung ansehen wollen, dann sehen wir einen Schundroman mit einigen dunklen Kapiteln.

Zum Glück geht der Tag wieder vorbei und zum Glück gibt es noch andere Frauen als die Weltfrauen, an die wir gerne denken und von denen wir träumen.


Bernhard Lassahn: Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft

Das Feminine ehren, den Feminismus als Ideologie des Hasses aber verabscheuen: Bernhard Lassahn zeigt, wie’s geht. Er schäumt nicht, er beschreibt so amüsiert und heiter wie andererseits scharfsinnig, warum der Feminismus nicht zukunftsfähig ist – und das auch gar nicht sein will.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert