Mit den Wölfen heulen

Von Thomas Hoof vom 1. Juli 2016.

Die östlichen Landkreise Niedersachsens erfreuen sich einer steten Zuwanderung von Wölfen aus Transelbien. Jedem einzelnen von ihnen, der naß aus der Elbe steigt, wird von Wolfsberatern, Wolfsexperten, Wolfsbotschaftern, Naturschützern sowie erhitzten Girlies im Rotkäppchenkostüm ein herzlicher Empfang bereitet mit viel Applaus und dargereichten Schokoladenlämmern. Und der Nabu hält Transparente bereit mit der Aufschrift »Ahuu – Willkommen Wolf«. Nur die Schäfer, die Schafe und die Schäferhunde auf dem Deich fluchen, blöken oder knurren.

Dieser Willkommenskultur tat es zunächst auch keinen Abtrag, daß die zugewanderten Wölfe, sich keineswegs, wie erwartet, scheu und flüchtig zeigten, sondern ganz im Gegenteil Tuchfühlung suchten, indem sie mit Joggern um die Wette liefen, eine Frau mit Kinderwagen aus der Nähe bestaunten, Bauern interessiert bei der Feldarbeit zusahen und hellichten Tags durch die Dörfer stromerten. Das Beruhigungsgemurmel der vereinigten Wolfsfreunde war etwas undeutlich, klang aber immer wie »Die woll’n doch nur spielen.« Als aber ein Rüde sich direkt in der Nachbarschaft einer Flüchlingsunterkunft niederließ und durch isegrimmiges Betragen den Verdacht nährte, daß er selbst den willkommenskulturellen Geboten nur mit halbem Herzen anhange, da war, wie eine lokale Netzzeitung hier berichtet, schnell »Schluß mit lustig«.

Der Landesumweltminister stellte sich beherzt vor die bedrohten Flüchtlinge und versuchte es zunächst mit dem von seinen 120 haupt- und nebenamtlichem Wolfexperten stets propagierten Verscheuchungsmittel »Still stehen, laut schreien und mit den Armen fuchteln«, was aber hier wie in anderen Fällen in den Wölfen nur die Frage weckte »Was macht der denn da?« und sie zu neugierig-beschleunigter Annäherung bewog. Der Minister fluchte auf seine 120 Wolfsexperten und ließ strafeshalber einen echten, nämlich schwedischen Wolfvergrämungsexperten einfliegen, dem ein Ruf finsterer Entschlossenheit deswegen vorausging, weil er nicht nur fuchtelt, sondern sogar Knallkörper zündet. Der Wolfsrüde hatte sich inzwischen aber verpaart und sich mit seiner Fähe zum Zwecke weiterer Rudelbildung tiefer in den Wald begeben, so daß fremdenfeindliche Umtriebe von ihm nicht weiter zu befürchten waren. Das war die Hauptsache. Und als eine Frau, die Ihren Hund auf gewohnten Waldwegen spazierenführte, die spannende Erfahrung machte, von einem siebenköpfigen Wolfsrudel nachdrücklich, aber ohne Zahnwaffengewalt, aus dem Wald hinauseskortiert zu werden, wurde ihr vom örtlichen Wolfsberater bedeutet, sie hätte doch auch fuchteln müssen. Der Minister blieb diesmal zu Hause.

Ernsthafte Wolfsexperten mahnen seit längerem, daß der Wolf nur solange als »scheu« und »menschenflüchtig« gelten könne, wie ihm ein nexus idearum zwischen »Zweibeiner und Büchsenfeuer« eingebrannt sei. Wenn diese Assoziation sich verflüchtige, werde er ganz zwangsläufig den unbeholfenen Zweibeiner in sein Beuteschema einordnen. Sein heutiges Interaktionsbedürfnis sei nur die Vorstufe dazu. Ich fürchte, daß auch hier sich zeigen wird: Irren ist menschlich, nur immer irren ist gutmenschlich.

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