Der amerikanische Patient

Vom 7. November 2016.

Morgen, spätestens übermorgen, wird möglicherweise die Welt explodieren. Jedenfalls wenn Donald Trump aus den amerikanischen Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorgeht. Nichts anderes als das Ende der Geschichte steht bevor, wenn mit der New Yorker Fernsehgröße das Erzböse ins Weiße Hause einzieht.

Seit Monaten ergötzen sich die deutschen Medien am amerikanischen Wahlkampf. Spätestens seit Hillary Clinton und Donald Trump durch die Vorwahlen zu Kontrahenten auserkoren worden sind, wird die Berichterstattung durch Hysterie und Infantilität bestimmt. Man meint überreizten Kindern dabei zuzusehen, wie sie den Streit von Mutter und Stiefvater verfolgen. Und das mit einer Lüsternheit, mit der zu früheren Zeiten triviale Arztromane gelesen wurden. Politischer Journalismus als kitschiger, romantisierender, ohnmächtiger Schwulst, der im Präsidentschaftswahlkampf nichts anderes erkennen kann als eine geile Daily Soap zu Wagner-Musik.

Wir sehnen den Showdown herbei, damit daß alles bald ein Ende hat. Wer das Rennen machen wird? Ob Hillary Clinton, die Fortsetzung der Macht mit anderen Kitteln oder Donald Trump, die Kreatur eines Marvel-Zeichners? Am Ende hat alles wie immer nur H. L. Mencken gewußt, der größte Kenner der amerikanischen Seele (und was davon geblieben ist), der beste Spötter aus God’s own Country:

»Der ›homo vulgaris‹ liebt die Wärme und Sicherheit des häuslichen Herdes, und er liebt einen Leithammel mit einer schrillen Glocke. Die Kunst der Politik in der Demokratie ist die Kunst, diese Glocke zu läuten. Zwei Varianten ergeben sich dabei. Es gibt die Kunst des Demagogen und die Kunst dessen, den man – mit einem griechisch-lateinischen Mischwort – als Demasklaven bezeichnen könnte. Sie ergänzen einander, und beide sind entehrend für die Ausübenden. Der Demagoge predigt Leuten, von denen er weiß, daß sie schwachsinnig sind, Lehren, von denen er weiß, daß sie falsch sind. Der Demasklave hört sich an, was diese Schwachköpfe sagen, und gibt dann vor, es selbst zu glauben. Jeder, der sich in der Demokratie um ein Amt bewirbt, muß das eine oder das andere sein; die meisten müssen beides sein.« (H. L. Mencken, Kulturkritische Schriften 1918-1926)


H. L. Mencken: Kulturkritische Schriften 1918-1926

Im ersten Band der Manuscriptum-Ausgabe macht er sich gleich dreier Ruchlosigkeiten schuldig: des Anti-Feminismus („Die Verteidigung der Frau“, 1918), des Anti-Amerikanismus („Das amerikanische Credo“, 1920) und der Demokratiefeindlichkeit („Demokratenspiegel“, 1926), wobei diese drei Objekte seines Spottes für ihn nur drei Aspekte ein und derselben Abirrung sind.

H. L. Mencken: Autobiographisches 1930-1948

„Mencken war davon überzeugt, daß sich die Wahrheit unaufhörlich wandelt und verändert ‚wie die Oberfläche eines Diamanten‘. Mit sich identisch ist nur das Dumme und Dumpfe, das sich zäh in Form hält“, schrieb Ulrich Horstmann in der Süddeutschen Zeitung. „Wo demnach Irrtümer als‚ die einzige fixe Größe in einer Welt des Chaos‘ erscheinen, da müssen argumentative Fest-Stellungen immer wieder unterlaufen, gedreht und gewendet werden, um ihre Brillanz und ihren Esprit zu erhalten.“

H. L. Mencken: Zur Verteidigung der Frau

Zur Verteidigung der Frau ist die vielleicht köstlichste Schmähung des Mannes in der Geschichte der westlichen Literatur. Gleichwohl beabsichtigte der Autor damit keineswegs, der anderen Seite ein Fest zu bereiten. Vielmehr warnte er die Frauen eindringlich davor, den Verheißungen der Gleichstellungseinklägerinnen seiner Zeit zu folgen und die besseren Männer werden zu wollen.

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