Göttinnen spielen Politik, Göttinnen spielen Fußball

von Bernhard Lassahn vom 16. Juli 2018.

Die „Göttinnendämmerung“ hat längst begonnen. So hat es Andrea Nahles im Februar gesagt, als sie noch der Meinung war, die SPD würde demnächst in die Opposition gehen. Die angekündigte Dämmerung bezog sich auf eine Dämmerung der Ära Merkel. Dämmerung klingt richtig – aber Merkel als Göttin? Ja. Merkel wird tatsächlich in manchen Leserbriefkommentaren verächtlich als „Göttin“ bezeichnet. Es ist keineswegs gut gemeint, es ist böse. Das Wort hat einen üblen Klang angenommen.

Doch warum verwendet Nahles die Pluralform und spricht von „Göttinnen“? Wer ist sonst noch gemeint oder womöglich mitgemeint? Warum spricht sie der „Göttin“ Merkel nicht nur den pluralis majestatis – den Plural der Majestäten – zu, sondern gleich den Plural der weiblichen Gottheiten?

Dämmert ihr womöglich, dass sie selber auch mit dazugehört, dass sie auch eine dieser Göttinnen ist, auch eine von denen, die sich zumindest selbst gerne so sehen, deren Tage allerdings gezählt sind? Wahrscheinlich nicht.

Der Sprachfeminismus hat riesige Nebenwirkungen. Wenn man lange genug die Wählerinnen-und-Wähler-Floskeln vor- und nachbetet, verliert man das Gefühl dafür, ob man gerade von einer Gruppe redet oder von zweien. Das ist das Risiko. Dem Sprachfeminismus liegt eine falsche Gruppenbildung zugrunde. Man muss immer wieder nachfragen: Geht es um eine Gruppe oder um zwei? Ist von einer Einzelperson die Rede oder von einer Gruppe, in der alle gleich sind?

Die Schweriner Volkszeitung hat Manuela Schwesig gefragt: „Sie, Andrea Nahles, Malu Dreyer, Katarina Barley, Simone Lange: Jede Menge starke Frauen in der SPD drängen in den Vordergrund. Bahnt sich ein Frauenpower-Machtkampf an?“

Schwesig antwortete im Namen der Frauen und im Namen der Göttinnen: „Das ist Quatsch. Wir sind klüger als die Männer. Wir werden nicht gegeneinander, sondern miteinander für die SPD arbeiten. Die alten Machtkämpfe der Männer haben der Partei massiv geschadet. Wir Frauen werden es anders machen!“

Sie werden es wie Göttinnen machen, nicht wie Männer. Als sich Andrea Nahles um den SPD-Parteivorsitz bewarb, erklärte sie auf Twitter: „Wenn’s leicht wäre, könnte es ja ein Mann machen.“ Nein, leicht würde es bestimmt nicht werden, es könnte sich sogar als Herkules-Aufgabe erweisen, mit der Herkules selbst überfordert ist.

Zum Glück gibt es einen Retter in der Not, eine Retterin, genau gesagt. Der Zeit erklärte es Nahles so: „Frauen kommen oft dann zum Zug, wenn Männer nicht mehr weiterwissen. Frauen dürfen nur Retterin sein“. Immerhin. Das „dürfen“ sie. Alles ist den Göttinnen nicht erlaubt. Das schon.

Es fällt schwer, nicht genervt zu sein von diesen Tönen, die nicht nur ein Problem von Nahles und von Schwesig sind: immer wieder kommt es zu dieser Mischung aus herablassender Bevormundung und beleidigter Unterwürfigkeit. Warum?

Jordan Peterson beschreibt das Problem als Projektion der Männer, die in der idealisierten Frau die ultimative Zurückweisung erkennen und fürchten. Männer machen die Frauen zu (falschen) Göttinnen. In den ersten vier Minuten dieses Videos erklärt er, warum Männer Frauen anbeten, warum Tom Sawyer auf einen Gartenzaun steigt, als er Betty sieht und warum Männer heutzutage Übungen machen müssen, um Frauen nach ihrer Handynummer fragen.

Um ein wirkliches Verhältnis zu Frauen zu haben, muss die ideale Frau „geopfert“ werden (Jordan Peterson spricht vom „Opfer“ im übertragenden Sinne, es ist nicht so gemeint, wie es unser Jargon, in dem es ständig um Opfer geht, nahelegt). Sie muss vom Ideal wieder zum Individuum zurückgeführt werden.

Man muss also die Götter wieder vom Olymp herunterholen. Das hat sich eindrucksvoll bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland gezeigt: 0 : 1 gegen Mexiko, 1 : 2 gegen Südkorea. Eine hoch favorisierte Weltmeistermannschaft, die in der Vorrunde ausscheidet, ist schon irgendwie peinlich, doch damit – so könnte man es sehen – leistet Deutschland seinen Beitrag zur Angleichung an das menschliche Maß. Auch Frankreich, der Champion von 1998, hatte sich bei der folgenden WM in Südafrika blamiert. Der ehemalige Weltmeister Italien war diesmal gar nicht erst dabei. Deutschland gleicht sich also an, reiht sich ein. Die Mannschaften der Stars wurden zurück auf den kurz geschnittenen Rasen geholt. Man konnte sich wieder im alten Griechenland wähnen, als die Götter noch menschliche Schwächen hatten.

Die Götter schon. Die Göttinnen nicht. In der Schaufensterauslage des Goethe-Institutes in St. Petersburg wird aus aktuellem Anlass der Film „Fußballgöttinnen“ beworben. Der Untertitel des Films lautet: Es geht ja nicht um Fußball …

I wo. Es geht immer nur um Frauen.

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