Die Entdeckung einer wenig bekannten Kulturlandschaft.

Andrew Stüve hat ein liebevolles Portrait seiner Heimat geschrieben: Mecklenburg. Wir haben ihn nach seinen Beweggründen gefragt.

Was verbindet Sie persönlich mit Mecklenburg?

Mecklenburg ist meine Heimat, wie bereits die meiner Eltern und Großeltern. Durch den Umstand, dass ich meine Kindheit und ebenso die Jugend hier zubrachte, wurden mir Land und Leute zunächst zu einer Selbstverständlichkeit, wie alles, womit wir organisch verwachsen. Erst später stieg nach dem Verlassen des vertrauten Bodens meiner Vaterstadt Schwerin, sowohl durch die Distanz und die mit ihr verbundene Einsicht, dass zu einer Landschaft nicht notwendigerweise Seen gehören müssen, als auch durch die gewöhnlichen Reifungsprozesse die Wertschätzung meiner Heimat, deren natürliche Schönheit und Reichtümer mir stetig näher und lieber wurden. Als einen der großen Schätze Mecklenburgs erkannte ich auch endlich seinen kernigen und herzlichen Menschenschlag. Mittlerweile wieder zurückgekehrt, darf ich heute mit meiner Familie die Festtagsruhe des mecklenburgischen Landlebens genießen.

Warum schreibt man heute noch ein Buch über eine Kulturlandschaft wie Mecklenburg? Was sind für Sie die Früchte solcher „Heimatforschung“?

Beim Verfassen der vorliegenden Arbeit dachte ich glücklicherweise nicht recht an Früchte oder sonstige Zugewinne. Über die Zeit kleinerer privater Studien hinweg wuchs in mir das Bedürfnis, die mir selbst bis dahin völlig unbekannte Geschichte meiner Heimat zu ergründen; die allgemeine nachsichtige Geringschätzung der Kultur Mecklenburgs gab mir zudem den Anreiz, dessen Schätze einmal zusammenzutragen und auszustellen. Da mir eine rein historische Abhandlung zu dröge erschien, stellte ich mit den Eindrücken aus unserer landeseigenen Literatur, einiger Erholungsreisen in verschiedene Landesteile Mecklenburgs und dem persönlichen Austausch mit den Bewohnern ein Länderportrait zusammen, das den Landescharakter offenlegen soll. So fielen gewissermaßen die Früchte zunächst in den eigenen Korb, ich darf jedoch hoffen, dass meine Landsleute und auch Fremde Appetit bekommen und sich an diesem bedienen mögen.

Der Geist des „alten Mecklenburg“: Ist er auch heutzutage noch lebendig?

Mecklenburg hat sich seit einigen Jahrzehnten stark herausgeputzt und ist äußerlich auch in mancher Hinsicht dem Modernisierungsdrang unterlegen, man sieht es vor allem an den bedeutenden Landstädten. Durchaus finden sich allerdings noch heute jene Merkmale, die schon das alte Mecklenburg gekennzeichnet haben. Im Volke leben noch manche alten Wesenszüge fort, genannt seien beispielsweise die Achtung vor Stand, Beruf und Abkunft, der Respekt vor Besitz und die Anerkennung der Verantwortung, welche dieser mit sich bringt; das dumme Neid-Ressentiment hingegen, hat hier bis heute nie Fuß fassen können. Gegenüber Politik und Obrigkeit besteht noch heute eine weit verbreitete Gleichgültigkeit, wie sie bereits zu Zeiten des Ständestaats im Volke existierte, was Rebellion aber ebenso Komplizenschaft weitgehend ausschließt. Auch der natürliche Instinkt zur Familie hat sich hier, trotz der modernen Hemmnisse des unsäglichen Scheidungs- und Sorgerechts und der enthemmten Liberalisierung des Einzelnen, landläufig erhalten und wird hoffentlich auch die weiteren gesellschaftlichen Experimente überstehen. Die alte norddeutsche, in sich gekehrte Frömmigkeit von einst ist allerdings stark säkularisiert worden, was jedoch kein landestypisches, sondern ein allgemeines Phänomen, insbesondere im deutschen Osten ist.

Wie muss man sich den „typischen Mecklenburger“ vorstellen?

Was den typischen Mecklenburger betrifft, lässt es sich leicht auf die Werke unseres Fritz Reuters und auf all die Jochen Nüßlers, Müller Voss oder Karl Havermanns verweisen, die man noch heute im Volke antrifft, aber ich möchte mich um eine treffende Antwort aus eigener Anschauung bemühen. Es liegt eine wohltuende, ungeschliffene Art in seinem Auftritt und ein gesundes Misstrauen gegenüber den großen Worten und abstrakten Begriffen ist in ihm wachsam. Er ist von einer eigentümlichen Unbekümmertheit der kommenden Dinge gegenüber erfüllt. Das Gefühl ist ihm sehr kostbar und er trägt es daher nicht leichtsinnig nach außen. Ärger und Wut sind impulsiv und daher genauso rasch vorüber, wie sie aufgestiegen sind. Sein Witz ist derbe, sein Humor schallend und stets geistvoll genug, um auch die Geistesmenschen brechen zu können. Man erlebt ihn eher in fröhlicher Geschwätzigkeit als in anstrengender Mitteilsamkeit.

Wenn man Mecklenburg näher kennenlernen möchte: Wo fährt man hin?


Wenn Sie das Meer bevorzugen, dann besuchen Sie unbedingt die Gegend um Doberan, Kühlungsborn und Heiligendamm, sofern Sie sich vom Massentourismus nicht abschrecken lassen. Sie genießen dann beste Strände, den bedeutendsten Kirchenbau des Landes und liebevolle Städtchen in Küstennähe. Wenn Sie für Wanderungen sind, dann kann ich Ihnen die Schweiz empfehlen, zwischen Teterow und Stavenhagen finden Sie überall beste Landschaften dazu, die mit alten Herrenhäusern gespickt sind. Drittens wären da noch die Seenlandschaften, vorzüglich in und um Schwerin oder aber von der Müritz bis zum Plauer See, wo sich Ausflüge auf dem Wasser nach jedem Geschmack machen lassen und die Orte günstige Unterkünfte in bester Lage bieten.

Wir danken für das Gespräch!

Andrew Stüve: Die Seele Mecklenburgs.

Eine lustvolle Wanderung durch Geschichte, Gepräge und Gemüt des alten Landes Mecklenburg und seiner Bevölkerung von der Zeit der Wenden, der Besiedlung durch Deutsche und dem Wirken der Hanse über den Dreißigjährigen Krieg und den Ständestaat bis in unsere Zeit. Stüves Streifzüge durch Hügelweiden, Seenplatten und entlang der Ostseeküste eröffnen tiefe Einblicke in Kultur und Lebensart vom Landmann bis zum Landadel. Daneben veranschaulichen auch Charakterisierungen der Städte und ihrer Bürger das Wirken der bedeutendsten Mecklenburger. Durch zahlreiche Abbildungen und literarische Zeugnisse von Zeitgenossen aller Jahrhunderte entsteht vor dem Leser das satte und heitere Bild einer bislang nur wenig bekannten deutschen Kulturlandschaft. 

Fritz Reuter: Das Leben auf dem Lande

Ut mine Stromtid

Fritz Reuters (1810-1874) Jugend und Studienzeit war geprägt von Konflikten. Weder war er ein guter Schüler, noch entsprach er den Erwartungen seines Vaters. Als dann auch noch sein Feuer für die Republik entbrannte, geriet er ins Visier des Staates. Als Student der Rechte wurde er nach dem Hambacher Fest 1833 in Berlin verhaftet und 1836 wegen Mitgliedschaft in einer als revolutionär eingestuften Jenaer Burschenschaft zum Tode verurteilt. Die DDR trieb einigen Aufwand, um Reuter in die Ahnengalerie prokommunistischer Geister aufzunehmen. Von König Friedrich Wilhelm III. zu dreißigjähriger Festungshaft begnadigt, kam Reuter aufgrund einer Amnestie nach sieben Jahren frei. Es folgte der solide Teil seines Lebens und der Durchbruch als Autor. Seine Zeit als Landwirtschaftseleve („Strome“) auf Mecklenburgischen Gütern, die ihn nach seiner Kerkerzeit und abgebrochenem Studium in eine bürgerliche Existenz zurückführte, schilderte er in seinem in Mecklenburger Platt geschriebenen Hauptwerk Ut mine Stromtid breit, farbig und temperamentvoll – einschließlich des unvergleichlichen »Entspekters«, ein ungeschulter, aber hochphilosophischer Kopf, lebensklug, weltweise und zu den herrlichsten Sprachschöpfungen beflügelt. Reuter gibt einen – oft auch kritischen – Einblick in das Alltagsleben der Landbewohner Mecklenburgs um 1850.

Andrew Stüve: Schwarz und Weiß

Eine preußische Geistesgeschichte

1947 wurde der Staat Preußen von den vier Besatzungsmächten aufgelöst. „Und gewiß“, schrieb Hans-Joachim Schoeps, „das alte Preußen, wie es einmal war, ist tot, aber nicht der klassische preußische Geist.“ Doch wo sind sie, die einstigen Tugenden des Ordnungsgeistes, Pflichtgefühls und der Opferbereitschaft? Mögen sie auch verschüttet, verzerrt und diskreditiert sein, erinnert der Autor jenseits der Klischees vom „Alten Fritz“ an dieses wertvolle preußische Erbe – in vier Porträts zeichnet er das Bild der berühmten Gestalten Moltke, Fichte, Blücher und Hegel, und arbeitet die typisch preußischen Züge im Handeln und Denken dieser Militärstrategen und Philosophen heraus. Sein Buch wird so zum Plädoyer für eine sittlich-mentale Renaissance: Denn gerade von diesem Erbe, von der Erneuerung der Idee Preußen kann auch eine revitalisierende Kraft für Deutschland ausgehen, in dem Hysterie, Verantwortungslosigkeit und Selbstsucht an der Tagesordnung sind.

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